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Er hätte einfach gehen können, heimlich. Es hätte kein Reden mehr gegeben und kein Weinen. Nur Freiheit. Freiheit für ihn und
auch für sie. Aber sie wollte keine Freiheit, sie wollte nur Liebe. Aber sie wollte nicht seine Art von Liebe. Für ihn zählte
Achtung und Respekt, das war für ihn Liebe, aber nicht diese weiche, teigige Anhänglichkeit, die sie dafür hielt. Romanliebe.
Aber er ging nicht. Er wußte, wäre er gegangen, einfach fortgegangen, dann hätte sie gelitten, jahrelang, vielleicht ihr
ganzes Leben lang. Sie wäre allein geblieben, einsam, verhärmt. Das konnte und wollte er nicht verantworten, sie sollte
nicht leiden, nicht wegen ihm.
Es wurde dunkel. Der Kognak war fast leer und seine Zigarettenkippen lagen verstreut zu seinen Füßen. Die Sonne war hinter
den Bäumen verschwunden, aber die Wolken gaben mit ihren satten Farben noch Licht. Er steckte sich wieder eine an und nahm einen Schluck, den letzten.
Er wollte nicht bleiben und er konnte nicht gehen. Er hörte auf, mit ihr zu reden und sie hörte auf zu weinen. Jedenfalls,
wenn er da war. Sie lebten nebeneinander her, und sie beide hofften. Sie hoffte, daß er lernen könne, sie zu lieben, so
wie sie ihn liebte, und er hoffte, sie würde seiner überdrüssig oder verliebte sich in jemand anderen. Aber beide hofften vergebens.
Es wurde schlimmer. Der Drang wegzugehen, alles hinter sich zu lassen, sie hinter sich zu lassen, wurde übermächtig. Aber
er konnte nicht gehen, er wollte ihre Leiden nicht auf sein Gewissen laden, es mußte einen anderen Weg geben. Er dachte
lange nach, suchte nach einem Ausweg, nach einer übersehenen Tür. Konnte er sie denn nicht loswerden, ohne daß sie leiden mußte?
Die Lichter im Park gingen an. Die Wolken waren nur noch helle Umrisse und die Schatten eroberten die Wege und Büsche.
Es waren kaum noch Menschen da. Sie würde schon schlafen, fest schlafen.
Er fand schließlich einen Weg, der ihnen beiden nutzen konnte. Er würde frei sein, frei für seinen eigenen Weg und sie
würde nicht leiden müssen. So war es für beide am besten. Er fand die Tür, endlich fand er sie, die Tür zur Freiheit.
Er stand auf, es wurde kalt. Langsam ging er durch den Park, nach Hause. Zu ihr. Dort würde er sie finden, im Bett, kalt
und friedlich. Sie hatte keinen Verdacht geschöpft. Sie hatte es einfach getrunken, ohne mit der Wimper zu zucken. Es muß furchtbar
geschmeckt haben. Dann hat sie sich ins Bett gelegt. Dort würde er sie finden, sie würde nie mehr leiden müssen. Nicht wegen ihm.
Er war frei!
Langsam schloß er die Haustür auf.
(c) Bernd Walf